Jahrestagung 1957 Bremen
Vortagung Osnabrück – 17 deutsche Verkehrs-Amateure besichtigten am 31. Juli anlässlich der 8. Jahrestagung der deutschen Verkehrs-Amateure in Bremen und Bremerhaven die nach dem Verkehrsgutachten von Prof. Schlums umstellungsbedrohte Straßenbahn in Osnabrück.
Bei herrlichstem Tagungswetter wurden Hallen und Werkstätten der Straßenbahn-, Omnibus- und Obus-Betriebe besichtigt, wobei im Obus-Sektor sogar ein soeben gelieferter 1½-Decker bewundert werden konnte. Mit einem Sonderwagen wurden dann alle drei Straßenbahnlinien abgefahren und dabei alle neuralgischen Punkte im Streckennetz berührt. Nach einem gemeinschaftlichen Mittagessen in der Kantine wurden in einer Aussprache alle auftauchenden Fragen beantwortet. Leider war damit die zur Verfügung stehende Zeit ausgenutzt, und es musste die Weiterfahrt nach Bremen angetreten werden.
Ich möchte an dieser Stelle den Herren der Stadtwerke Osnabrück meinen herzlichen Dank für die interessanten Stunden aussprechen.
Spühr
62 Verkehrsfreunde wurden tiefgekühl – Das Absinken der Teilnehmerzahl von 100 im Vorjahre (Stuttgart) auf 62 in diesem Jahre, das keinesfalls darauf zurückzuführen ist, dass Bremen als Verkehrsstadt etwa weniger „attraktiv“ wäre als Stuttgart es gewesen ist, wurde wohl von allen Tagungsteilnehmern, nicht zuletzt auch von dem ach so geplagten Tagungsleiter, begrüßt, überstieg doch die diesjährige Zahl noch immer den Wert „normaler“ Besetzungen früherer Veranstaltungen, was für die steigende Beliebtheit unserer Jahrestagungen spricht.
Nach einer gut gelungenen Vortagung in Osnabrück (s. a. Notiz auf S. 1198) fanden sich die meisten Verkehrsfreunde schon am Vorabend zu dem traditionellen zwanglosen Beisammensein im Bremer „Überseehotel“ ein, wo Tagungsunterlagen verabfolgt, Wiedersehen gefeiert und neue persönliche Verbindungen angeknüpft wurden.
1. Tag (1. August 1957)
Natürlich herrschte „Tagungswetter“ – strahlender Sonnenschein und wohlige sommerliche Wärme – und was gäbe es Schöneres, als sich in einer fremden Großstadt „herumtreiben“ zu können! Auch in diesem Jahre stand der erste Tagungstag im Zeichen der „großen Straßenbahn-Rundfahrt“, für die die Bremer Straßenbahn AG ihren jüngsten (der Wagennummer nach war es tatsächlich der „jüngste“ !) Gelenkwagenzug zur Verfügung gestellt hatte.
Während dieser genussreichen Fahrt über einige Hauptstrecken des Straßenbahnnetzes wurden von den begleitenden Herren der Bremer Straßenbahn erschöpfende Erklärungen und Auskünfte über Stadt und Betrieb gegeben, während in Zwischenaufenthalten in Depots und Werkstätten das gewohnte Bild „entfesselter“ Verkehrsenthusiasten in Erscheinung trat, die – mit Fotoapparaten und Notizbüchern bewaffnet – das für diesen festlichen Tag freigegebene Betriebsgelände „durchkämmten“, dass nichts mehr unentdeckt blieb.
Nach dem Mittagessen, das dankenswerterweise die Bremer Straßenbahn AG in den Räumen des „Deutschen Hauses“ stiftete, hielt Herr Direktor Danschacher einen interessanten Lichtbildervortrag über gegenwärtige und zukünftige Planungen seines Unternehmens. Im Anschluss daran wurden einige Filme gezeigt: zwei sehr lehrreiche Streifen von der Deutschen Bundesbahn, der Dokumentarfilm „Einsteigen bitte“ der Münchener Verkehrsbetriebe und ein Jubiläumsfilm von der Straßenbahnlinie Dortmund–Unna, der freundlicherweise von der Bildstelle der Dortmunder Stadtwerke zur Verfügung gestellt worden war, während am Schluss der Filmvorführungen eine Zusammen-Stellung von Kurzfilmen der Hamburger Verkehrs-Amateure gezeigt wurde, die nicht nur wegen ihrer ausgezeichneten Auswahl der Fotomotive Beifall fand, sondern dadurch ergötzte, dass sie in zahlreichen „Akten“ (wie zu Urgroßmutters Kientopzeilen) abrollte.
Nach einem Kurzvortrag des Verkehrsfreundes Hans Vehber, Bremen, über die Geschichte des nunmehr „entschlafenen“ Jan Reiners und einem weiteren Referat des Hamburger Verkehrsfreundes Günther Dolezal fand schließlich zur Belohnung der viele Stunden lang geduldig aushaltenden Teilnehmer ein Lichtbilder-Preisraten statt, dessen Ergebnis am nächsten Tag verkündet wurde.
Den Abschluss des Tages bildete, wenn auch programmgemäß mit starker Verspätung, eine Besichtigung des Geländes der Bremer Straßenbahn, auf dem mit dem Neubau einer großzügigen Werkstatt- und Depotanlage begonnen worden ist.
Der Rest des Abends stand den Verkehrsfreunden zur freien Verfügung, und es verlautet, dass viele bis zum letzten fahrplanmäßigen Wagen unterwegs waren, um keinen Kilometer des umfangreichen Streckennetzes auszulassen.
2. Tag (2. August 1957)
Der für diesen Tag angesetzte Ausflug nach Bremerhaven wurde wohl für die meisten Teilnehmer zu einem wundervollen Erlebnis, denn Programmgestaltung, das Dargebotene und die herzliche Aufnahme sowohl von Seiten der Verkehrsgesellschaft Bremerhaven als auch von der Deutschen Bundesbahn ließen diesen Tag besonders schön und harmonisch werden. Wiederum war es die Bremer Straßenbahn AG, die uns freundlicherweise einen Omnibuszug nebst Fahrer zur Verfügung gestellt hatte und mit dessen Hilfe wir freizügig und bequem von Besichtigung zu Besichtigung kommen konnten.
Die Ankunft am Depot Wulsdorf der Verkehrsgesellschaft Bremerhaven glich fast einer Orgie, denn dieser Betriebshof erlebte einen wahren „Überfall“, wie er ihn in seiner langen Geschichte wohl nicht erlebt hat. Nach kurzem Aufenthalt begann auch hier eine Sonderfahrt, und zwar mit einem dreiachsigen Großraum-Triebwagen (ex Opladen-Ohligs) mit auch hier dem „jüngsten“ zweiachsigen Beiwagen Nr. 211, über das sehr langgezogene Streckennetz bis hinaus nach Friedrichsruh, wo an der romantisch mitten in einem kleinen Wäldchen gelegenen Endstation Verschnaufpause eingelegt wurde.
Die hier und da an der Strecke stehenden „so merkwürdig anmutenden“ Wartehäuschen an den Haltestellen wurden einwandfrei als „ex Wilhelmshavener“ Wagen identifiziert, während bei abgestellten oder zu Arbeitswagen degradierten Wagen ganze „Kommissionen“ verweilten, um die Ex-Nummern unter dem Lack zu ergründen.
Die schöne Rundfahrt fand ihren Abschluss mit einer zweiten „Invasion“ im Hauptbetriebshof Wurster Straße, wo die Herren der VGB nicht müde wurden, auf die unzähligen, z. T. nicht erwarteten Fragen der wissensdurstigen Verkehrsfreunde einzugehen.
Der zweite Teil des Tages begann mit einem zünftigen, sehr schmackhaften Mittagessen im Fischereihafen-Restaurant, wo wir uns als Gäste der Verkehrsgesellschaft Bremerhaven betrachten durften. Von nun an ließ uns der Fischgeruch vorläufig nicht mehr los, aber es stand ja im Programm, dass auch Einrichtungen des Fischereihafens besichtigt werden sollten. Diese Besuche waren sehr lehrreich, denn die Verkehrsfreunde bekamen einen sehr guten Überblick über die für Bremerhaven so bedeutenden Fisch-Auktionen, Fischverwertung und Fischkonservierung, wobei sie sogar auf einem Rundgang für fünf Minuten durch einen Eiskeller geschleust wurden, in dem eine Temperatur von minus 25 Grad herrschte.
Nach dieser „Tiefkühlung“ folgte ein Vortrag eines leitenden Herrn der DB über die Fischverladung und Eilguttransporte vom sogenannten Bahnhof „Bremerhaven Fisch“ aus in alle Teile der Bundesrepublik. Dann brachte uns der getreue Omnibuszug zum weltberühmten Columbus-Bahnhof, der eingehend besichtigt und erklärt wurde, während bei einer von der Deutschen Bundesbahn gestifteten Kaffeetafel weitere Vorträge über Bedeutung und Aufgaben der Stadt Bremerhaven folgten.
Die am Kai liegenden drei Ozeandampfer konnten leider nicht besichtigt werden, obgleich verschiedene Verkehrsfreunde Versuche unternommen hatten, Kapitäne und Mannschaften zu „bezirzen“ und den Teilnehmern eine kurze Besichtigung zu ermöglichen. Wohl unnütz zu sagen, dass unsere Rückfahrt nach Bremen nach diesem erlebnisreichen und stimmungsvollen Tag in bester Laune stattfand.
3. Tag (3. August 1957)
Natürlich musste auch in diesem Jahre eine Waggonfabrik „dran glauben“, und es nötigte uns allen größte Dankbarkeit ab, dass die leitenden Herren der Hansa Waggonbau GmbH es trotz der sonst üblichen Sonnabendruhe möglich gemacht haben, uns nicht nur einen hochinteressanten Rundgang durch ihr Werk zu gewähren, sondern uns mit einem Frühstück zu bewirten, das wahrhaft fürstlich genannt werden konnte.
Die Zeit drängte jedoch, denn wir wurden bereits gegen Mittag in Syke erwartet, und so fuhren wir mit einem planmäßigen DB-Zug nach dort, wo uns schon Herr Betriebsleiter Leder von der Kleinbahn Hoya–Syke–Asendorf erwartete, um uns bereitwilligst die verschiedenen Anlagen seines Betriebes zu zeigen. In einem angehängten Sonderwagen legten wir mit einem Planzug die rund 29 km lange Strecke nach Hoya in einer knappen Stunde zurück, wo die ausgedehnten und sehr interessanten Gleis-, Rangier- und Rollbockanlagen besichtigt und erklärt wurden.
Es wurde wohl von allen Tagungsteilnehmern einmütig und mit großer Dankbarkeit die so überaus herzliche Art empfunden, die uns Verkehrsfreunden von Seiten dieser Kleinbahnverwaltung zuteil geworden ist, denn die Offenheit und Aufgeschlossenheit bei allen Fragen, Debatten und Gesprächen wirkte sehr wohltuend, sodass sich viele Teilnehmer in den wenigen Stunden ihres Aufenthaltes im Bereich dieser Bahn ein günstiges Urteil bildeten.
Einen netten Abschluss der Tagung bildete ein Beisammensein im Gartenrestaurant des Zentralhotels an der Weser, wo bei Kaffee und Kuchen die unendlich vielen Eindrücke besprochen und die gewonnenen Erfahrungen ausgetauscht wurden.
Die Rückfahrt nach Syke fand wiederum in einem Sonderwagen statt, der jedoch nicht wie bei der Hinfahrt an einen Dampfzug gehängt wurde, sondern seine Fahrt mit einem der modernen Triebwagen machte, die größtenteils den Dienst auf den Strecken dieser Kleinbahn versehen.
Ein heiteres Erlebnis hatten die Tagungsteilnehmer schließlich noch in der Begegnung mit einem „aufsässigen“ Fahrgast, der uns offenbar nicht leiden konnte, aber notabene mit unserer Gesellschaft – wenn auch in angemessenem Abstand – vorlieb nehmen musste.
In Bremen angekommen, gab es herzliche und wortreiche Verabschiedungen und Versicherungen, dass es wieder „ganz großartig“ gewesen sei. Und mit diesem erfreulichen Ergebnis konnte der Tagungsleiter unbeschwert in Urlaub fahren.
Presse und Rundfunk hatten es sich auch in diesem Jahr nicht nehmen lassen, über die Jahrestagung der deutschen Verkehrs-Amateure bzw. über den VDVA mehr oder weniger große und bebilderte Berichte in den Tageszeitungen erscheinen zu lassen bzw. eine Reportage aufzunehmen, um sie am 2. August im Zeitfunk in den Äther zu senden.
Nicht vergessen werden möge an dieser Stelle nochmals unser aller herzlichster Dank an die Betriebe, die durch ihre Unterstützung und Gastfreundschaft zu diesem guten Gelingen unserer Jahrestagung wesentlich beigetragen haben, also
- der Bremer Straßenbahn AG,
- der Deutschen Bundesbahn, Verkehrsamt Bremen,
- der Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG,
- der Hansa Waggonbau GmbH, und
- der Kleinbahn Hoya–Syke–Asendorf.
Mitgliederversammlung
Im Zusammenhang mit der Jahrestagung hat am Nachmittag des 31. Juli 1957 im Überseehotel, Bremen, die 1. ordentliche Mitgliederversammlung des VDVA stattgefunden.
Es wurde folgende Tagesordnung durchgeführt:
- Begrüßung und Eröffnung
- Verlesung des Geschäftsberichtes
- Festsetzung des Mitgliedsbeitrages
- Verlesung von Anträgen auf Satzungsänderungen
- Sonstiges
Nachdem der vom Vorsitzenden des Verbandes verlesene Geschäftsbericht für das abgelaufene erste Verbandsjahr einmütige Zustimmung gefunden hat und die anwesenden Mitglieder den vorgeschlagenen Mitgliedsbeitrag einstimmig angenommen haben, werden sämtlichen VDVA-Mitgliedern in Kürze folgende Unterlagen zugehen:
- Geschäftsbericht für das abgelaufene Jahr,
- Protokoll der Mitgliederversammlung am 31. 7. 57,
- Liste der Mitglieder des Verbandes, und
- Aufforderung zur Beitragszahlung.
Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei dem festgesetzten Beitrag zum größten Teil um Beträge handelt, die vom Vorsitzenden während des abgelaufenen Jahres vorgestreckt worden sind, wird freundlichst gebeten, die Überweisung möglichst bald nach Eingang der vorstehend erwähnten Unterlagen vorzunehmen.
Fotos
Holger Blaul hat uns freundlicherweise einige Fotos von Hansgünter Trobisch zur Verfügung gestellt, die während der Tagungenstanden sind. H. Trobisch hat keine Aufnahmedetails notiert, vielleicht erkennt jemand die noch fehlenden Aufnahmeorte.
- Osnabrück (Jul. 57)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ #209 eine sehr ähnliche Aufnahme von Reinhardt Todt haben wir in unserem Bildarchiv: 0040-052 (einer von drei Eineinhalbdeckerobussen in Deutschland)
- Bremen (Aug. 57)

↑ Betriebshof (?)

↑ Betriebshof (?)

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ Hemmstraße Gleiskreuzungsrelikt der Kleinbahn Bremen – Tarmstedt (?)
- Bremerhaven (Aug. 57)

↑ #26 Endstelle am Btf. Wulsdorf

↑ (Aufnahmeort nicht bekannt)

↑ Btf. Wulsdorf

↑ #6 Btf. Wurster Str.

↑ Btf. Wulsdorf
- Kleinbahn Hoya – Syke – Asendorf

↑ zu dieser Aufnahme haben wir folgende Informationen erhalten von Wolf-Jobst Siedler (Danke!): Wir sehen den ursprünglichen Bahnhof Heiligenfelde. Die Straße rechts ist die Bundesstraße 6. Der Fotograf steht offenbar auf der Heizerseite der aus Syke kommenden und Richtung Bruchhausen-Vilsen/Hoya fahrenden Lok. Dieser Bahnhof ist heute praktisch nicht mehr sichtbar und das Bahnhofsgelände teilweise überbaut. Der heutige “Bahnhof Heiligenfelde” der umgespurten Verkehrsbetriebe Grafschaft Hoya ist das eigentliche Anschlussgleis der Landhandelsgenossenschaft.


